Wofür haftet der Architekt?

Das „Schreckgespenst“ bei jeder Baustelle ist die Angst vor potenziellen Schäden und vor der damit verbundenen Haftung. Als Ursachen nennen Kritiker und Bausachverständige die Zunahme an Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Normen im Bauwesen sowie den zunehmenden Zeitdruck der Baufertigstellung, die das Bauen auch dementsprechend verteuern. Von mehreren Seiten wird auch eine Zunahme an Haftung, vor allem im Zuge der örtlichen Bauaufsicht, teilweise noch während des Bauprozesses, kolportiert. Dies sei vor allem der gut gedeckten Haftpflichtversicherung der Ziviltechnikergeschuldet – konkrete Zahlen fehlen allerdings.

Problematisch bei diesen, auf subjektivem Empfinden basierenden Berichten ist, dass sich konkrete Statistiken u.a. zu Kostenverteuerung, Schadenanzahl, -summen und -ursachen, Verursacher, Rechtsanwaltskosten, Gerichtsverfahren, Vergleiche etc. nicht finden lassen. Sie werden von den Versicherungen auch nicht veröffentlicht und liegen den Versicherungsmaklern anscheinend auch nicht vor. Der erste Österreichische Bauschadensbericht – 2005, herausgegeben von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und vom Institut für Bauschadensforschung (IBF) des Österreichisches Forschungsinstituts für Chemie und Technik – kolportiert eine jährliche Schadenssumme im Hochbau von mindestens 180 Mio. Euro. Alle vorliegenden Zahlen basieren auf Vergleichsstudien und auf 121 Fragebögen und sind damit bis heute nicht bestätigt. Auch der Kammer der ZiviltechnikerInnen in der Steiermark und Kärnten, welche bis 2018 die Berufshaftpflichtversicherung mit einem Rahmenvertrag für ihre Mitglieder abgewickelt hat, liegen keine genaueren Angaben zu den Schadensfällen vor.

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Was ist die Haftung bei Architekten? Wann haftet der Architekt?

Architekten haften, so wie andere Berufsgruppen auch, für ihr „Werk“ bzw. ihr Leistungs- und Tätigkeitsfeld. Die Haftung des Architekten beschränkt sich auf Fehler im Rahmen seiner Tätigkeit in der Planung, als Gutachter und, wenn beauftragt, im Zuge der Begleitung der Bauausführung sowie der örtlichen Bauaufsicht. Sie haften also für Leistungen im Zuge der „Enstehung eines Bauwerks“ durch Planungs-, Überwachungs- und Koordinierungstätigkeiten (Organisation des reibungslosen zeitlichen und technischen Ablaufs). Die "Herstellung des Bauwerks" fällt dagegen nicht in seinen Verantwortungsbereich, sondern obliegt den Bauunternehmern. Die Architekten sind also nicht für Fehler verantwortlich, die während des Baus den beauftragten Firmen unterlaufen, z.B. Vermessungsfehler, Überschreitung der Bautoleranz etc. Ausgenommen er hätte dies (unter der Voraussetzung, dass er damit beauftragt wurde) im Zuge der Bauüberwachung vorzeitig erkennen müssen, dann würde der Architekt gegebenenfalls mithaften.

Baufirmen sind ebenfalls verpflichtet, eine eigene (Berufs-)Haftpflichtversicherung abzuschließen und haften gegenüber dem Auftraggeber für ihr jeweiliges Gewerk im Rahmen der Gewährleistungsfrist, da Mängel auch zeitversetzt, also weit nach der Baufertigstellung auftreten können. Die dafür gesetzlich vorgesehene reguläre Gewährleistungsfrist beträgt, sofern im Vertrag nicht anders vereinbart, drei Jahre nach Gesamt- bzw. Teilabnahme des Bauwerks (wenn vereinbart lt. ÖNorm B 2110 bzw. Verjährungsfrist lt. §933 ABGB i. d. g. F.).

Tipp
“Es macht durchaus Sinn, die „ÖNorm B2110 Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen – Werkvertragsnorm“ als freiwillig vereinbarten Standard mit den Baufirmen als Vertragsgrundlage zu verwenden." steppe architekten

Gibt es mängelfreie Baustellen?

Prinzipiell muss man auch ehrlich feststellen, dass es keine mängelfreien Baustellen gibt – wo Menschen arbeiten, entstehen Fehler. Lesen Sie weiter... hier.

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Autor: Petra Kickenweitz • steppe architekten
Illustration: Jacqueline Kaulferschcardamom

Erstveröffentlichung Mai 2021